ENDLICH!
Am 28. und 29. April 2023 stürze ich mich ins Getümmel. Es ist die erste Leipziger Buchmesse seit vier Jahren. Hier geht es wieder zu wie vor der Pandemie. Die Veranstalter haben vorsichtig kalkuliert, doch es kommen mit fast 274.000 Menschen doppelt so viele Besucher wie erwartet. 2012, elf Jahre zuvor, war ich als Verlagsvolontär das erste Mal auf einer Buchmesse. Als ich mich 2015 als Lektor selbstständig machte, habe ich mich auf die Frankfurter Buchmesse konzentriert, war eher selten in Leipzig. Doch nach der Pandemie zieht es mich wieder mehr in die Welt, raus aus dem Homeoffice!
»MEHR ALS WIR«
Gastland Österreich singt mit dem Claim »Meaoiswiamia« eine Hymne auf die Vielfalt des Büchermachens in Österreich und ganz Europa. Es gibt viele Veranstaltungen zum Thema Klimawandel, weil das Projekt »Klimabuchmesse«, das während der Pandemie entstand, hier mitwirkt.
ES WIRD BUNT
In Leipzig ist ein großer Comic-Schwerpunkt, hier sieht man besonders viele Verkleidungen, Gewandungen und Menschen, die in der Rolle ihrer Helden voll aufgehen. Ich bin gespannt, wie viele Elfen, Wikinger und Harley Quinns ich sehe.
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ KOMMT!
Alles spricht über künstliche Intelligenz, und ich bin sehr gespannt über die Infos hierzu. Wir müssen dafür sorgen, dass KI keine Urheberrechte verletzt, so kompliziert diese Aufgabe auch ist. Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass KI wie auch viele andere Innovationen mehr Türen öffnet als schließt. Der Computer hat die menschliche Arbeit nicht ersetzt, sondern weiterentwickelt, die KI wird die Arbeit von Autoren, Lektoren, Verlagen und Buchhändlern nicht abschaffen, sondern auf noch ungewisse Art ändern. Schüler, die ChatGPT zum Mogeln benutzen, werden nicht so weit im Leben kommen wie kreative Menschen, die ihren eigenen Verstand und moralischen Kompass anwenden. Hier gibt es viel Diskussionstoff. Wir sind in einer spannenden Übergangszeit.
HINSEHEN
Wie schon auf der Buchmesse in Frankfurt am Main 2022 gibt es viele Lesungen und Diskussionen zum Krieg gegen die Ukraine, nicht nur wegen der Auswirkungen des Kriegs auf den Buchmarkt, sondern auch wegen der menschlichen Relevanz. Ich bekomme in privaten Gesprächen mit, dass Menschen immer häufiger auf das Nachrichtenschauen frustriert verzichten, weil sie sich nicht ansehen wollen, »wer wen irgendwo auf der Welt umbringt«. Doch unsere Buchmessen sehen zum Glück hin. Ich finde gut, das unsere Branche nicht verdrängt, was vor unserer Haustür, nein, sogar in unserem europäischen Haus passiert. Die Welt der Bücher lehrt Tiefgang, und wer liest, flieht seltener vor der Wirklichkeit. Das macht unsere Branche, das machen unsere Buchmessen richtig. Insofern vielen Dank an die Ausrichter der Leipziger Buchmesse für das vielfältige Programm!
SELFPUBLISHING GETS IT DONE!
Was löst das Messefeeling in mir persönlich aus? Vor elf Jahren, auf meiner ersten Messe, galt Selfpublishing noch als etwas Zweifelhaftes, heute ist es angekommen, ist Teil des großen Büchermachens. Verlage akquirieren Autoren bewusst mithilfe von Selfpublishing-Bestsellerlisten. Das, worüber früher Menschen den Kopf geschüttelt haben, löst heute Begeisterung aus und wird immer professioneller.
ODE AN DIE VIELSEITIGKEIT
Ich weiß noch, wie mir jemand auf der Buchmesse mal sagte, Lektoren sollten in nur einem Genre arbeiten. Dabei wissen vor allem berufserfahrene Lektorinnen und Lektoren, wie wichtig es ist, dass Sachbücher auch mal »erzählend« vorgehen. Populäre Sachbücher kommen nicht selten erzählerischer daher als mancher Roman. »Versteckte Ratgeber« sind Sachbücher, die hohe Ratgeberanteile besitzen. Die drei großen Genres Roman, Sachbuch und Ratgeber sind verbunden, und wenn ich ausbilden würde, würde ich natürlich alle Genres lehren.
Spezialisierung sei alles, sagt man, Nischenbildung sei alles, doch man sagt gleichzeitig, dass man stets über seinen Tellerrand schauen muss. Wie gesagt: Das, worüber einige den Kopf schütteln, kann und wird Begeisterung wecken. Und so entscheide ich mich, weiterhin sowohl an meiner Expertise als auch Vielseitigkeit zu arbeiten.
DAS HÖCHSTE GUT
Doch was ist das höchste Gut in der Buchbranche? Ich glaube, während ich die vielen Gesichter der Menschen auf der Messe auf mich einwirken lasse, dass unser höchstes Gut Positivität ist. Ohne Positivität und ohne Begeisterung kein privater oder beruflicher Erfolg. Zupackender Optimismus ist das kostbarste Gut, vor allem in dieser Zeit!
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